Samstag, 8. September 2007
Fruchtbare Jugend
foomzr, 12:09h
"Ich habe Angst."
(IRC-Teilnehmer nach der Festnahme einer islamistischen Terrorzelle in Deutschland.)
Und zwar nicht vor der politischen Entwicklung in Deutschland, sondern vor den Terroristen und vor der Rache der Amerikaner, weil es in Deutschland Terroristen gibt.
Mein Vater, der den zweiten Weltkrieg als Jugendlicher erlebt hatte, sagte immer, es müßte mehr RAF-Terror geben. Politiker und Manager müßten jede Sekunde um ihr Leben fürchten. Der hatte keine Angst vor Terroristen.
Ich selbst habe meine Jugend mit Atomwaffen vor der Haustür und dem eisernen Vorhang in einer guten Stunde Entfernung verbracht. Ich hatte natürlich keine Angst, aber im Rückblick wird es einem schon Angst und Bange. Mir kommt es allerdings heute manchmal so vor, als seien die Verhältnisse in der Welt damals stabiler gewesen.
Und jetzt die Preisfrage: Was ist mit den jungen Leuten, die heute so um die 20 sind? Die in einem vereinten Deutschland aufgewachsen sind, in dem es keine Selbstschußanlagen mehr gab und der Russe nicht mehr böse war. Die nie mit ansehen mußten, daß es mit der Freiheit auch anders laufen kann, als in ihrer Heimat. Und die im Jahr 2001, in der Blüte ihrer Jugend, plötzlich durch eine Handvoll Terroranschläge aus ihrem Idyll gerissen wurden?
Je gemächlicher ich darüber nachdenke, umso eher scheint mir zu dämmern, daß es viele junge Leute da draußen gibt, die sich nach nichts mehr sehnen als nach Sicherheit. In den 1990ern war ja schließlich alles sicher. Und wer demnächst mal eine Familie gründen will, hat gegen das Versprechen von ein wenig mehr Sicherheit möglicherweise nichts einzuwenden.
Das sind die Betonschädel, die nichts zu verbergen haben und mit "Stasi 2.0"-Vergleichen mangels Hintergrund nichts anfangen können. Schwerer als die dürfte kaum jemand zu erreichen sein.
Ich habe Angst. Angst davor, immer mehr der einst unveräußerlichen Grundrechte an das Sicherheitsbedürfnis ignoranter Mitmenschen zu verlieren. Darauf kommt es an, und nicht darauf, daß die gefühlte Wahrscheinlichkeit (die real gleich Null ist), in der U-Bahn in die Luft gesprengt zu werden, um einen Bruchteil reduziert wird.
(IRC-Teilnehmer nach der Festnahme einer islamistischen Terrorzelle in Deutschland.)
Und zwar nicht vor der politischen Entwicklung in Deutschland, sondern vor den Terroristen und vor der Rache der Amerikaner, weil es in Deutschland Terroristen gibt.
Mein Vater, der den zweiten Weltkrieg als Jugendlicher erlebt hatte, sagte immer, es müßte mehr RAF-Terror geben. Politiker und Manager müßten jede Sekunde um ihr Leben fürchten. Der hatte keine Angst vor Terroristen.
Ich selbst habe meine Jugend mit Atomwaffen vor der Haustür und dem eisernen Vorhang in einer guten Stunde Entfernung verbracht. Ich hatte natürlich keine Angst, aber im Rückblick wird es einem schon Angst und Bange. Mir kommt es allerdings heute manchmal so vor, als seien die Verhältnisse in der Welt damals stabiler gewesen.
Und jetzt die Preisfrage: Was ist mit den jungen Leuten, die heute so um die 20 sind? Die in einem vereinten Deutschland aufgewachsen sind, in dem es keine Selbstschußanlagen mehr gab und der Russe nicht mehr böse war. Die nie mit ansehen mußten, daß es mit der Freiheit auch anders laufen kann, als in ihrer Heimat. Und die im Jahr 2001, in der Blüte ihrer Jugend, plötzlich durch eine Handvoll Terroranschläge aus ihrem Idyll gerissen wurden?
Je gemächlicher ich darüber nachdenke, umso eher scheint mir zu dämmern, daß es viele junge Leute da draußen gibt, die sich nach nichts mehr sehnen als nach Sicherheit. In den 1990ern war ja schließlich alles sicher. Und wer demnächst mal eine Familie gründen will, hat gegen das Versprechen von ein wenig mehr Sicherheit möglicherweise nichts einzuwenden.
Das sind die Betonschädel, die nichts zu verbergen haben und mit "Stasi 2.0"-Vergleichen mangels Hintergrund nichts anfangen können. Schwerer als die dürfte kaum jemand zu erreichen sein.
Ich habe Angst. Angst davor, immer mehr der einst unveräußerlichen Grundrechte an das Sicherheitsbedürfnis ignoranter Mitmenschen zu verlieren. Darauf kommt es an, und nicht darauf, daß die gefühlte Wahrscheinlichkeit (die real gleich Null ist), in der U-Bahn in die Luft gesprengt zu werden, um einen Bruchteil reduziert wird.
... comment
annika kremer,
Mittwoch, 19. September 2007, 04:28
Respekt...
...klasse Beitrag. Bin heute das erste Mal hier, aber ich werde definitiv öfter vorbeischauen.
Deine Beobachtungen decken sich mit einer Beobachtung, die ich selbst schon gemacht habe, z.B. beim Flyer verteilen für den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Die Omas oder die Familienväter/Mütter ab 40 waren alle ziemlich aufgeschlossen. Aber wenn man's mal bei jungen Leuten oder Jugendlichen versucht hat... Fehlanzeige.
Ich habe selbst schon öfter gesagt: Meine Generation (ich bin selbst gerade 23 geworden, war bei den Anschlägen also 17) hat zu einem Großteil... naja zu sagen "den Knall net gehört" wäre wohl etwas makaber, aber so ganz gemerkt, dass sich etwas geändert hat, hat die Mehrheit wohl noch nicht. Du hast recht, die sehnen sich die Sicherheit und Unbeschwertheit der 90er zurück, ohne zu merken, dass es gleichzeitig auch nicht mehr so frei ist wie damals.
Auch in meiner Erinnerung sind die Jahre zwischen 1990 und 2001 ziemlich friedlich und sorglos, was die politische Lage und die Stimmung angeht. Und anstatt für wenigstens einen Teil dieser Freiheit zu kämpfen, reagieren viele auf die Veränderungen mit Unverständnis, oder mit einer Art von Angst, die nichts bringt, sondern eher noch mehr zerstört.
Frag mich bitte nicht, wieso ich selbst anders bin. Ich war immer politisch interessiert, aber nicht auf die Art, dass ich mich über ein Thema großartig aufgeregt hätte. Aber als ich am 11.09. nach Hause kam und meine Eltern mir erzählt haben, was passiert ist, war so ziemlich meine erste Reaktion (naja nach dem allerersten Schreck und einer Äußerung, die ich hier lieber nicht wiedergeben will) "Das gibt Krieg, das lassen die sich niemals gefallen" und die zweite "Bedingungslose Unterstützung ist nicht gut, die werden jetzt kein Maß und Ziel mehr kennen". Naja, genau so habe ich das dann auch erlebt.
Die Panik bei uns in der Schule war unglaublich. Was da teilweise an Gerüchten kursierte in den nächsten Wochen von wegen "neue Anschläge", "DEFCON 1" und "Atomkrieg" spottete jeder Beschreibung. Aber bald war dann irgendwie der neueste Kinofilm doch wieder interessanter. Die Angst blieb wohl, aber wirklich damit auseinander gesetzt haben sich dann nur noch die wenigsten. Daher dieses undifferenzierte Sicherheitsbedürfnis.
Was ich wirklich erschreckend finde, ist, wie selbstverständlich für viele Freiheit und Demokratie zu sein scheinen. Hast du ja auch schon geschrieben. Viele erkennen den Wert dieser Dinge wahrscheinlich erst, wenn es zu spät ist.
Ups, ziemlich lang geworden und sogar etwas persönlich. Aber dein Artikel hat mir halt einiges zum Denken gegeben und mich an vieles erinnert.
Deine Beobachtungen decken sich mit einer Beobachtung, die ich selbst schon gemacht habe, z.B. beim Flyer verteilen für den Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung. Die Omas oder die Familienväter/Mütter ab 40 waren alle ziemlich aufgeschlossen. Aber wenn man's mal bei jungen Leuten oder Jugendlichen versucht hat... Fehlanzeige.
Ich habe selbst schon öfter gesagt: Meine Generation (ich bin selbst gerade 23 geworden, war bei den Anschlägen also 17) hat zu einem Großteil... naja zu sagen "den Knall net gehört" wäre wohl etwas makaber, aber so ganz gemerkt, dass sich etwas geändert hat, hat die Mehrheit wohl noch nicht. Du hast recht, die sehnen sich die Sicherheit und Unbeschwertheit der 90er zurück, ohne zu merken, dass es gleichzeitig auch nicht mehr so frei ist wie damals.
Auch in meiner Erinnerung sind die Jahre zwischen 1990 und 2001 ziemlich friedlich und sorglos, was die politische Lage und die Stimmung angeht. Und anstatt für wenigstens einen Teil dieser Freiheit zu kämpfen, reagieren viele auf die Veränderungen mit Unverständnis, oder mit einer Art von Angst, die nichts bringt, sondern eher noch mehr zerstört.
Frag mich bitte nicht, wieso ich selbst anders bin. Ich war immer politisch interessiert, aber nicht auf die Art, dass ich mich über ein Thema großartig aufgeregt hätte. Aber als ich am 11.09. nach Hause kam und meine Eltern mir erzählt haben, was passiert ist, war so ziemlich meine erste Reaktion (naja nach dem allerersten Schreck und einer Äußerung, die ich hier lieber nicht wiedergeben will) "Das gibt Krieg, das lassen die sich niemals gefallen" und die zweite "Bedingungslose Unterstützung ist nicht gut, die werden jetzt kein Maß und Ziel mehr kennen". Naja, genau so habe ich das dann auch erlebt.
Die Panik bei uns in der Schule war unglaublich. Was da teilweise an Gerüchten kursierte in den nächsten Wochen von wegen "neue Anschläge", "DEFCON 1" und "Atomkrieg" spottete jeder Beschreibung. Aber bald war dann irgendwie der neueste Kinofilm doch wieder interessanter. Die Angst blieb wohl, aber wirklich damit auseinander gesetzt haben sich dann nur noch die wenigsten. Daher dieses undifferenzierte Sicherheitsbedürfnis.
Was ich wirklich erschreckend finde, ist, wie selbstverständlich für viele Freiheit und Demokratie zu sein scheinen. Hast du ja auch schon geschrieben. Viele erkennen den Wert dieser Dinge wahrscheinlich erst, wenn es zu spät ist.
Ups, ziemlich lang geworden und sogar etwas persönlich. Aber dein Artikel hat mir halt einiges zum Denken gegeben und mich an vieles erinnert.
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